Die Bedeutung “heiliger Orte” und anderer Waldfragmente für die Vogelwelt  in Guinea-Bissau

Katharina Kühnert
Abteilung für Naturschutzbiologie/Arbeitsgruppe Bedrohte Arten
Georg-August-Universität Göttingen

Guinea-Bissau, nicht zu verwechseln mit Guinea oder Neuguinea, ist ein kleines Land in Westafrika mit Zugang zum Atlantik. Es hat 1,7 Mio. Einwohner, grenzt im Norden an den Senegal und im Süden an Guinea und gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde. Katharina Kühnert aus Jena, die zur tropenornithologisch aktiven Arbeitsgruppe um PD Dr. Matthias Waltert in Göttingen gehört, hat sich für Ihre Masterarbeit vorgenommen, die Bedeutung von „heiligen Orten“ und anderen Waldfragmenten für die Vogelwelt zu untersuchen. In Guinea-Bissau gibt es, trotz der geringen Einwohnerzahl, kaum noch natürliche Waldlebensräume. Durch Übernutzung und Zerstörung spielen diese gegenüber landwirtschaftlich genutzten Flächen und Buschsavannengebieten nur eine geringe Rolle. 

Frau Kühnert war von Februar bis Juli 2015 im Land und konzentrierte ihre Feldarbeit auf den Osten, die Region Boé. Sie untersuchte in einer Fläche von etwa 100 km² rund um das Dorf Beli in je 6 Flächen der vier unterschiedlichen Lebensräume (Regenwaldreste, sekundäre Galeriewälder, Buschsavanne und landwirtschaftlich genutzte Flächen) speziell, wie die verschiedenen Lebensräume von welchen Vogelarten genutzt werden. Ihrem Thema gemäß spielten „heilige Orte“, d.h. weitgehend vom Menschen unberührte Reste der ursprünglichen Wälder und mehr oder weniger große Sekundärwaldgebiete eine besondere Rolle. Zum Vergleich untersuchte sie die Artenzahl und – vielfalt der Vögel in den dominierenden Lebensräumen, Buschsavanne und landwirtschaftlich genutzte Flächen. Buschsavannen sind ein schwer zu beschreibender Lebensraum. Es handelt sich um Trockengebiete mit vorwiegend Grasvegetation, in die Gebüsch, einzelne Bäume, kleine Waldinseln und entlang der Flüsse sekundäre Galeriewälder eingestreut sind. Sie sind der Guinea-Sudan-Savanne, einem Lebensraum südlich der Sahelzone, zugehörig, während die verbliebenen Waldinseln Reste dem Guinea-Kongo-Regenwald zugeordnet werden. Diese „heiligen Orte“, Regenwaldreste, bestanden allerdings aus nur 1.7 bis maximal 29.6 ha  großen Flächen, im Durchschnitt der Gebiete 7.27 ha. Landwirtschaftliche Flächen finden sich oft in unmittelbarer Nähe von Flüssen, wo früher einmal primäre Galeriewälder standen, und sie spielen für das Vorkommen von Vögeln schon deshalb eine Rolle, weil diese hier Wasser finden. 

Frau Kühnert ermittelte insgesamt 176 Vogelarten und 72 für die „heiligen Orte“, die Regenwaldreste. Dies deutet schon daraufhin, dass die in den kleinen Waldfragmenten am westlichen Rand eines ehemals riesigen Regenwaldgebiets verbliebenen Vogelarten auch nur Reste einer ehemals sehr viel vielfältigeren Avifauna sein können. Sie ordnete die Vogelarten ihrer biogeographischen Herkunft zu: Guinea-Sudan-Savanne oder Guinea-Kongo-Regenwald bzw., wo dies nicht eindeutig zu klären war, einer dritten, nicht näher bezeichneten Gruppe. Interessanterweise konnte sie 115 Vogelarten in den sekundären Galeriewäldern, 126 in den Buschsavannen und die größte Zahl, 137 Vogelarten, in den landwirtschaftlich genutzten Flächen nachweisen. Dieser Artenreichtum lässt den mit der Situation in Mitteleuropa vertrauten Beobachter eine vielfältige, extensiv genutzte Agrarlandschaft vermuten, in dem sich zahlreiche Nischen für eine große Vielfalt  verschiedener Vogelarten finden. Andererseits ist offensichtlich, dass zahlreiche Bewohner der Regenwaldreste ebenfalls ebenso an die offene Landschaft angepasst sind, besser: dass zu den Waldbewohnern auch zahlreiche „Opportunisten“, d.h. besonders anpassungsfähige Arten gezählt wurden, denn sonst ließen sich weder die vergleichsweise geringe Artenzahl im Gesamtgebiet noch die hohe Zahl der Offenlandbewohner erklären. Die Vogelgemeinschaften der „heiligen Orte“ und der Sekundärwaldgebiete ließen sich statistisch gut voneinander trennen, während diejenigen der Buschsavannen und landwirtschaftlich genutzten Regionen hohe Übereinstimmungen zeigten. 

Christoph Hinkelmann